„Heiliger Sankt Florian – verschon mein Haus, zünd and´re an ???“ – oder : ganz dünnes Eis für die Handelsimmobilienbranche …
Ein Erklärungsversuch für die Situation des Mieters Handel ?
In unzähligen Artikeln, Posts, Webinaren, in Auftrag gegebenen Gutachten und sonstigen Ausarbeitungen kann man lesen und hören weshalb Besitzer von Handelsimmobilien trotz behördlich angeordneten Schließungen in Zeiten von Covid-19/Corona weiterhin auf ihre Miete „pochen“ können. Genauso viele Ausführungen zeigen aber ebenfalls auf, warum Mieter von diesen Handelsimmobilien genau gegenteilige „Rechte“ haben sollen.
Helfen die vielen unterschiedlichen und gegensätzlichen Stellungnahmen ?
Ist dadurch ein Kampf gegen und mit Paragraphen, aber nicht gegen das eigentlich wirkliche Problem entbrannt ?
Vielleicht hilft etwas mehr Kenntnis und Wissen über die jeweils andere Seite, gepaart mit dem wirklichen Willen eines gegenseitigen Solidarbeitrages und der Weitsicht, nur gemeinsam eine Zukunft zu ermöglichen, und kurzfristige Individualsichten das eigentliche Problem eher verschärfen werden.
Hier ein Versuch die Situation des Einzelhandelsmieters in einer Handelsimmobilie darzustellen.
Lassen Sie mich die aktuelle Situation des Handels in 3 Phasen darstellen : die „Vor-„, „Während-„ und „Nach-„-Coronazeit.
Vor-Corona:
Es lässt sich nicht leugnen, dass auch ohne den urplötzlich aufgetretenen Virus die Situation im stationären Einzelhandel nicht mehr einfach war. Erkennbare Änderungen im Konsumverhalten, gepaart mit der Notwendigkeit als Einzelhändler zwingend einem Multi-Channel-Konzept folgen zu müssen, der technischen Aufholjagd in Sachen Digitalisierung uvm., haben viele Defizite, Probleme und Herausforderungen bereits deutlich gemacht. Es lässt sich aber nicht leugnen, dass auch die schon seinerzeit etwas schwächeren Marktteilnehmer trotzdem gern gesehene Abnehmer von existierenden oder neu entwickelten Mietflächen der Immobilienwirtschaft waren. Gerne mit langfristigen Mietverträgen und dem Marktniveau entsprechenden Miethöhen.
War das schon eine eher Kurzfristigkeit im Denken und Handeln der Eigentümer und Vermieter, Unkenntnis der Situation, Naivität oder gar schon Fahrlässigkeit ? („Honi soit qui mal y pense…“ - Devise des englischen Hosenbandordens, wohl von King Edward III., 1312-1377)
Aus Sicht des Handels lässt sich ein normaler Monat, wie in der nachfolgenden Tabelle beschrieben, darstellen.
Es handelt sich dabei um ein vereinfachtes Modell, das natürlich vom Unternehmen und seinen Abhängigkeiten auch Varianten aufzeigen kann.
Die Ausgangsbasis ist ein „normaler“ Monat, mit dem Umsatzniveau von 100 (gerne auch Prozent), einem einzusetzenden Wareneinsatz von 50, der dann zu einer Handelsspanne von (logischerweise) 50 führt. Mit dieser zu erzielenden Handelsspanne sind dann die im Monat anfallenden Kosten wie z.B. Personal, Raumkosten, Afa (Abschreibung) und Zinsen, Marketing und Sonstiges zu entrichten. Wünschenswerterweise verbleibt ein Gewinn, wie hier im Beispiel, von 5.
Der Cash-Flow des Händlers setzt sich im Beispiel aus dem erzielten Überschuss 5 und der nicht abfließenden Position Afa/Zins 5 zum Betrag von 10 zusammen.
Ein ungeplanter Umsatzrückgang von z.B. -6 führt dann zu einem Verlust im Monat von -1 .
(Planumsatz 100 – Umsatzrückgang 6 = realisierter Umsatz 94 – Wareneinsatz 50 = Handelsspanne 44 – Kosten 45 = Verlust -1).
Nein, der Wareneinsatz reduziert sich (normalerweise) nicht, denn die Ware ist ja bereits erworben und auf Lager und somit zu bezahlen. Die laufenden Kosten fielen wie geplant an, denn den realisierten Umsatz weist der Monat erst am Ende aus.
Mit diesem einfachen Rechenbeispiel soll die Fragilität des Unternehmens Einzelhandels aufgezeigt werden, die sich tagesunterschiedlich entwickeln kann. Natürlich ist es die Aufgabe des Handels darauf zu reagieren und Maßnahmen zu ergreifen, damit in Summe Gewinne erzielt werden, die Folgeinvestitionen in die Zukunft erst möglich machen.
Während-Corona:
Kleinere Umsatzschwankungen lassen sich gewöhnlich managen, sofern es eben auch Tage oder Monate gibt, in denen man einen Mehrumsatz erzielen kann (auch um die inzwischen im Lager aufgestaute Ware verkaufen zu können).
Das Hauptproblem des „shutdowns“ im Monat März waren dann im Grunde der extrem hohe Umsatzrückgang von ca. 50%, der weder plan- noch vorhersehbar war.
Aus dem ursprünglich geplanten Gewinn von 5, entstand ein Verlust von -45 (was dem Wert von 9 Monaten geplanter Gewinne entspricht !).
Der darauf folgende Monat April mit voller Schließung der stationären Ladeneinheiten verschärft das Problem auf einen Monatsverlust von (nur) -56, basierend auf dem z.B. in der Textilbranche berichteten Umsatzrückgang von -76%.
Der Handel hat oder musste bereits reagieren, in dem er Warenversorgungen (sofern möglich!) anpasste, ebenso bei Personal und sonstigen Kosten. Sofern die Miete des Monats April nicht geflossen war, reduziert sich der Verlust auf nur noch -41 (was 8 geplanten Monatsgewinnen entspricht).
Vereinfacht lässt sich sagen, dass durch die beiden Monate März und April aus einem geplanten Jahresgewinn von 60 (12 Monate x 5) ein Verlust von mindestens – 50 (10 Monate x 5 – Verlust März und April -101) entstehen wird.
Wie lange ein Handelsunternehmen von seiner Substanz oder der Unterstützung durch Banken und Eigentümer damit (über-)leben kann ist fallweise unterschiedlich. Ein „Ende“ ist betriebswirtschaftlich absehbar, zumindest können Zahlungsunfähig- oder Vermögenslosigkeit relativ schnell eintreten. Diese Folgen sollten jedem Beteiligten bewusst sein …
Die Notwendigkeit eines schnellen Reagierens der verantwortlichen Handelsmanager ist überlebensnotwendig, vorrangig durch Schaffung und Erhaltung von Liquidität, die ein Fortbestehen erst ermöglicht.
Dazu gehört auch die Nutzung aller angebotenen Hilfspakete durch die Politik, wie z.B. Einsatz von Kurzarbeitergeld (wer macht dann eigentlich die notwendige Arbeit ?) oder Kreditgarantien (die aber auch mal wieder zurück zu zahlen sind !) bzw. Stundungen (die kurzfristig per Gesetz für den Zeitraum von 3 Monaten beschlossen wurden) oder sonstige Zahlungsaussetzungen.
Die Cash-Flow-Betrachtung überlasse ich dem geneigten Leser, denn Kreditzusagen und -auszahlungen haben in aller Regel einen Zeitbedarf von 4-6 Wochen und auch das Kurzarbeitergeld muss vorfinanziert werden bzw. wird zur Sicherung der Arbeitskräfte „aufgestockt“.
Die Zahlen sprechen für sich.
Auf Krisen vorbereitete Unternehmen haben Online-Angebote und mediale Präsenz schnell umgesetzt und den einen oder anderen Ausgleich schaffen können, aber auch diese sind weit weg von einer möglichen Kompensation der weggebrochenen Offline-Umsätze.
Nach Corona:
Im Laufe des Monats Mai bestand wieder die Möglichkeit Standorte zu öffnen und Umsätze zu generieren.
Die Einzelhändler müssen neu planen und würden z.B. von folgenden Voraussetzungen ausgehen (wiederum sehr vereinfacht dargestellt) :
Im Monat wird sich ein Umsatzrückgang bei etwa -33 einpendeln (je nach Anzahl der Öffnungstage im Monat und entsprechendem Einkaufsverhalten der Kunden), Kostenanpassungen und Maßnahmen sind umgesetzt in Höhe von -33%, bei Ware (denn diese sollte eigentlich komplett vor Ort sein) und Personal sind die Maßnahmen um nur -20% verändert.
Das Ergebnis ist defizitär, ebenso der Cash-Flow.
Mit der Erkenntnis aus den 3 bisherigen „Corona“-Monaten entwickelte sich das geplante Ergebnis des Händlers in diesem Jahr von +60 auf wohl neu : - 63,4 (9 Monate x 5 – Verluste der Monate März-Mai), quasi ein Umkehrung der Vorzeichen (etwas zynisch betrachtet).
Eine äußerst positive Betrachtung könnte sein, wenn es dem Händler gelingen würde, das geplante Umsatzniveau von 100 wieder zu erreichen (ab dem Monat Juni), aufgrund des hohen Warenlagers und verschärften Umfeldbedingungen aber mit Rabatten von im Durchschnitt 10% und leicht erhöhtem Marketingaufwand arbeitet (man beachte den Konjunktiv) :
Die drohende Gefahr kommender Rabattschlachten durch aufgestaute Warenläger und einem fehlenden Nachholeffekt beim Kaufen der Kunden lässt beim Betriebsergebnis wiederum keinen Gewinn zu.
Diese Situation wird sich nur in kleinen Schritten – wenn überhaupt – entspannen. Die Konsequenz für das Jahresendergebnis lässt sich erahnen und selbst errechnen.
Soweit zur Situation des Handels !
Die Immobilieneigentümer und Vermieter sind natürlich auch Wirtschaftsbetriebe und haben Verpflichtungen und notwendige Zahlungen zu leisten.
Eine (ebenfalls vereinfachte, durchaus positive) Darstellung einer Handelsimmobilie unter Annahme verschiedener Prämissen, die sich natürlich von jedem anderen Fall unterscheiden können, verdeutlicht dies :
zur Erläuterung der Beispielsrechnung :
Die Umsätze der Immobilieneigentümer sind die Mieten. Hier vereinfacht dargestellt mit 100 in der Ausgangsbasis. Es entstehen Bewirtschaftungskosten der Immobilie (nicht umlegbare Nebenkosten etc.) in Höhe von 7. Für Zinsen sind (bei einer Fremdkapitalquote von 60% und einem Zinssatz von 1,5%) 16,6 zu entrichten, für die Tilgung ist ein mittlerer Ansatz von 2% angenommen, der zu einer Tilgungsleistung von 22,2 führt. Mit den weiteren „sonstigen Kosten“ von 5 entsteht ein Cash-Flow von 49, einen Afa-Satz von 2% angesetzt entsteht ein Überschuss von 26,9, der dann zu einer Eigenkapitalrendite von 6,6% bzw. 3,6% führt.
Ein Wegfall der Mieteinnahmen (gleichbedeutend mit Umsatzrückgang) von 50% führt – wie in der Spalte „April 2020“ ersichtlich natürlich zu einem riesigen Einbruch beim Überschuss und somit zu einem Verlust. Wichtigerweise bleibt allerdings der Cash-Flow noch positiv.
Auch der Immobilienvermieter muss in diesen Zeiten unternehmerisch reagieren. Als mögliche Maßnahmen lassen sich ggfs. die Sonstigen Kosten anpassen und auch ein Gespräch mit der Bank zur Verlängerung der Tilgungszeiten werden ggfs. sinnvollerweise durchgeführt. Die Bewirtschaftungskosten und notwendigen Zinsen auf das geliehene Fremdkapital bleiben in der Rechnung unberührt.
In der Spalte „Mai 2020“ wird rückwärts gerechnet, und man könnte bei diesem Rechnungsansatz und den umgesetzten Maßnahmen Cash-Flow-neutral verbleiben, wenn sich die Mieten um bis zu 75% reduzieren würden.
An dieser Stelle lasse ich bewusst die Diskussion um ausgesetzte Nebenkostenzahlungen oder Renditeversprechen für die Anleger beiseite …
Bis hierher würden nun beide Parteien kein schönes Ergebnis erzielen … es könnte aber ein langfristiges Überleben ermöglichen.
Denn schafft es der Mieter, trotz vielfältiger Maßnahmen und Bemühungen, nicht weiter erfolgreich zu wirtschaften und muss den Standort (zwangsweise) aufgeben, stellt sich für den Vermieter die Frage der Nachnutzung und Einschätzung eines möglichen Mietpreises.
Ein weiteres (wiederum vereinfachtes) Rechenmodell stellt die Situation eines Mietnachlass einer möglichen langfristigen Mietreduktion gegenüber :
Der Mietenerlass von 2 Monatsmieten in einem Jahr wird kompensiert durch einen drohenden eventuellen Mietenrückgang von weniger als 1%. Die Kosten des Mieterwechsel, Mietausfallzeiten sind der Einfachheit wegen nicht einberechnet. Inwieweit sich bei einem gänzlichen Verlust von Marktteilnehmern am Mietermarkt und reduzierter Anzahl von Flächengesuchen (und in aller Regel nicht auf die eigene Immobilie passen) die Bewertung der Immobilen ändert, vermag jeder selbst zu beurteilen (oder in die Diskussion mit seinem Immobilienbewerter einsteigen).
Fazit:
Nüchterne Rechnung, Drohung oder Hilfestellung ?
Jeder Fall und jede Situation stellt sich individuell und anders dar. Sie ist mit vielen unterschiedlichen Parametern versehen, die es gilt für beide Parteien zu sortieren und abzuwägen.
Die oben erwähnten Rechnungen sind nur Beispiele und keine „Blaupause“. Sie dienen einzig der Veranschaulichung, zudem gibt es noch viele weitere Aspekte, Parameter und vor allem Ideen eines möglichen weiteren Miteinanders.
Es wird unabdingbar sich mit der Situation der jeweils anderen Partei intensiv auseinanderzusetzen … zu sprechen und vernünftig zu handeln.
Idealerweise aktiv, kooperativ, konstruktiv und dem Blick eines langfristigen, gemeinsamen Erfolges, der eben auch solche – hoffentlich kurzfristig schwierigen – Zeiten bewältigen lässt.
Schlussbemerkung:
Das vollständige Weglassen von Rechts- und Vertragsdiskussionen oder sogenannten formalen Erfordernissen gleich welcher Art war volle Absicht !
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